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DIE GIER

Das riesige Gebiss

Aus dieser Zeichnung habe ich unter anderem gelernt, dass ich Kompositionen nicht nach Normen und Klischees erschaffen möchte, sondern ein eigenes ikonografisches System entwickeln will, das meinen Erfahrungen entspricht.

Im Langen liegt das Verlangen.

TECHNIK

Diese Arbeit ist mit Tusche und Feder auf Papier entstanden – ein Medium, das höchste Präzision erfordert und zugleich grosse expressive Möglichkeiten eröffnet. Die Wahl dieser Technik unterstreicht die Ambivalenz des Dargestellten: feine Linienführung trifft auf eruptive Bewegungsformen, mikroskopische Details auf expressive Grossformen. Tusche, in ihrer kompromisslosen Schwärze, lässt keine Korrekturen zu – was im Bild sichtbar ist, musste mit bewusster Hand entschieden werden. Diese Entschlossenheit spiegelt sich in der Spannung des Werks wider.

Linie als Träger der Verwandlung

Der zeichnerische Aufbau folgt dem Prinzip der linearen Transformation. Die Komposition entwickelt sich spiralförmig – beginnend bei der schwarzen Kugel unten, über das sich ausrollende, schlangenartige Wesen, hin zur zentralen, fast statuarischen Figur im oberen Zentrum. Die Linie ist dabei nicht nur Umriss – sie ist Bewegungsträger, sie ist Energiefluss. Besonders auffällig ist die Art, wie das Tierwesen sich aus dem linearen Rhythmus des Wassers herausbildet. Die Parallelschraffuren, die die Oberfläche definieren, kippen allmählich in eine Körperlichkeit um – ein dramaturgischer Moment der Metamorphose, der visuell wie inhaltlich getragen wird.

Kompositionelles Zentrum: die starre Figur

Im oberen Bilddrittel dominiert die weiblich konnotierte Gestalt – ein kompositorisches Zentrum, das wie eine religiöse Ikone eingefasst ist. Ihre Pose, frontal und aufgerichtet, wird zusätzlich durch die radiale Linienbewegung der Wasserfontänen gestützt, die wie Flügel anmuten. Diese starre Vertikalität kontrastiert stark mit der geschwungenen, dynamischen Bewegung des Ungeheuers. So entsteht ein Spannungsfeld zwischen Bewegung und Stillstand, zwischen Trieb und Ideal.

Perspektive und Tiefenraum

Die Arbeit verzichtet auf einen klassischen perspektivischen Tiefenraum – stattdessen entsteht Tiefe durch Formüberlagerung und Liniendichte. Besonders im Bereich des schlangenartigen Wesens wird mit wechselnden Strichstärken modelliert: Licht und Schatten entstehen allein durch rhythmisch gesetzte Linien – eine Referenz an Techniken der Kupferstichtradition (z. B. Dürer), jedoch mit einer zeitgenössisch expressiven Note.

Symbolische Achsen und Blickführung

Das Auge wird durch mehrere symbolisch geladene Achsen geführt:

  • Die vertikale Achse verbindet die schwarze Kugel mit dem geöffneten Gebiss und der oberen Figur – sie ist die Achse der Täuschung, der Anziehung und Enthüllung.

  • Die diagonalen Linien der Wasserbewegung stützen die Zentralfigur wie Heiligenscheine, erzeugen aber gleichzeitig eine unruhige Energie, die latent auf das Drama hinweist.

  • Die runde Bewegung der Schlange umrahmt die Szene wie ein zyklischer Zeitverlauf – ein visuelles Echo auf das Konzept des „ewigen Rückgriffs“ in Trieben und Illusionen.

DRAMATURGIE

Der Ursprung dieses Bildes liegt in einem Traum. Ich sah eine schwarze Kugel, ruhig treibend auf der Oberfläche eines Sumpfgewässers. In ihrer makellosen, undurchdringlichen Rundung schien sie etwas Absolutes zu verkörpern – etwas, das sich dem Zugriff entzieht und dennoch anzieht. Wie ein Rätsel aus dem Innern.

Dann begannen sich parallele Linien unter der Wasseroberfläche zu bewegen, erst kaum merklich. Sie formten allmählich den Ansatz eines Schlangenkörpers – geschmeidig, flach, gleitend. In der Mitte der Komposition stand unverrückbar eine weiblich wirkende Figur. Starr, schön, fast überirdisch – wie eine Ikone. Ich wollte mich ihr nähern. Doch im selben Moment offenbarte sich das eigentliche Wesen dieser Szene: Aus dem Sumpf erhob sich ein gewaltiges Maul. Ein Gebiss, das alles verschlingen konnte. Die ganze Inszenierung – Kugel, Linien, Schönheit – entpuppte sich als Lockmittel. Als Falle. Wie beim Anglerfisch, der seine Beute mit einem leuchtenden Köder anzieht.

Diese Arbeit ist meine persönliche Interpretation von Gier.

Nicht als lautes Verlangen, sondern als stille Bewegung. Gier zeigt sich hier als Illusion, als Bild der Perfektion, das sich über unsere tiefsten Triebe legt. Sie lockt mit Schönheit, mit Ruhe, mit Form – aber hinter der Oberfläche lauert etwas ganz anderes. Eine destruktive Kraft, die genau davon lebt, dass wir sie nicht erkennen wollen.

In meiner künstlerischen Arbeit entwickle ich ein eigenes ikonografisches Vokabular, das aus Träumen, Affekten und archetypischen Bildern gespeist wird. Jedes Werk entsteht aus einem inneren Impuls heraus – oft unbewusst, oft körperlich spürbar – und wird dann in einer visuell verdichteten Sprache umgesetzt. Ich arbeite mit Symbolen, die nicht aus der Theorie stammen, sondern aus dem Erleben.

Die schwarze Kugel ist für mich ein Symbol des Ursprungs – aber auch der Täuschung.
Der Sumpf steht für das Unbewusste, das Unergründliche.
Die Schlange verkörpert Verwandlung und List.
Die weibliche Gestalt ist Projektion und Versprechen zugleich.
Und das Gebiss – schliesslich – ist der Moment der Erkenntnis. Brutal, endgültig.

Dieses Werk ist der erste Eintrag in meinem persönlichen ikonografischen Katalog – ein sich fortlaufend entwickelndes System, das meinen inneren Bildern eine visuelle Ordnung gibt. Es ist ein Versuch, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Und das Allzu Menschliche in Formen zu fassen.

WILLST DU NOCH MEHR? • WILLST DU NOCH MEHR? • WILLST DU NOCH MEHR? • WILLST DU NOCH MEHR? • WILLST DU NOCH MEHR? • WILLST DU NOCH MEHR? • WILLST DU NOCH MEHR? • WILLST DU NOCH MEHR? •

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